FilmReview zu DER ÜBERLÄUFER

Meine bescheidene Meinung: 

Deutsche Kriegsgeschichten, in filmischen Gewand, gibt es wirklich viele. Dabei sind auch wirklich großartige Filme entstanden, wie z.B. DER UNTERGANG oder der grandiose DER HAUPTMANN und natürlich der ewige Klassiker DAS BOOT. Doch hier und jetzt, geht es um den deutschen TV-Zwei-Teiler DER ÜBERLÄUFER. Die Geschichte stammt aus dem gleichnamigen Roman von, dem 2014 verstorbenen, Siegfried Lenz. Unter der Regie von Florian Gallenberger (JOHN RABE) entstand dieser wuchtige Mehrteiler und erscheint am 8. Mai auf Blu-ray sowie auch als DVD. 

Im Jahre 1944, als das Ende des deutschen Reichs schon entschieden war, strandet der junge Wehrmachtssoldat Walter Proska (Jannis Niewöhner) bei einem Haufen versprengter deutscher Soldaten. Auf verlorenem Posten, von Langeweile und Angst gezeichnet und von den eigenen Truppen aufgegeben, versuchen die gequälten Männer einfach nur bei Verstand zu bleiben und zu überleben. Doch der sadistische Unteroffizier Willi Stehauf (Rainer Bock) erteilt ihnen, im Niemandsland der polnischen Wälder, immer menschenverachtendere Befehle. Eine Begegnung mit der jungen polnischen Partisanin Wanda (Malgorzata Mikolajczak) und die Gefühle die damit einhergehen, sowie die Gespräche mit seinem Kameraden Kürschner (Sebastian Urzendowsky) lassen Proska immer stärker an der Richtigkeit seines Auftrags zweifeln. Er gerät in einen ständigen Konflikt, zwischen seiner Pflicht und seinem klagenden Gewissen. Als die Rote Armee immer näher rückt, gerät der kriegsmüde und verwirrte Soldat in Kriegsgefangenschaft. Dort kann er sich nur noch retten, indem er zum Feind überläuft…  

Im zentralen Mittelpunkt der Geschichte steht der Soldat Walter Proska. Sein Zwiespalt und seine Handlungen sind immer wieder Dreh und Angelpunkt des Films. Regisseur Gallenberger baut große Themen wie Stolz, Gehorsamkeit, Hilflosigkeit, Liebe, Freundschaft und die Folgen des Krieges, konsequent mit ein. Doch kann er diesen vielen Themengebieten nicht immer gerecht werden und verliert sich so in manchen Belanglosigkeiten. Die großen Gefühle hingegen transportiert der Film mühelos mitten ins Herz des Zuschauers. Die gefühlvoll ausbalancierte Dramaturgie, gelingt vor allem wegen der, gut in Szene gesetzten, zwischenmenschlichen Beziehung zwischen Wanda und Walter, so gut. Diese ist das schlagende Herz des Films und die treibende Kraft für viele Entscheidungsfindungen. Keine Angst, DER ÜBERLÄUFER weiß auch noch in anderen Gebieten zu überzeugen. Der Reiz des Films ist der innere Konflikt, der in Jannis Niewöhners Figur tobt, sowie die Idee einen Deserteurs mal als Hauptfigur zu erleben und ihn nicht als die des ewig bösen Verräters zu zeigen. DER ÜBERLÄUFER hat eine stimmig und bedrückende Atmosphäre und kann mit inszenatorischen Feingefühl glänzen. Gallenberger lässt seinen Figuren genügend Raum, um den Zuschauerinnen und Zuschauern die Gelegenheit zu geben, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und all ihre Facetten so gut wie möglich kennenzulernen. Das Pacing ist auf Ruhe getrimmt und erschafft somit eine intensive Erzählstruktur, dies birgt aber auch die ein oder andere Länge in sich. Das Drehbuch, welches Gallenberger mitentwickelt hat, lässt Platz für das Grauen aber auch für die großen Gefühle inmitten der Sinnlosigkeit des Krieges. Ab und zu blitzt etwas zynischer Humor, durch den ansonsten sehr dichten Schleier der Ernsthaftigkeit, hervor. 

Das Dilemma zwischen Pflicht und Gewissen wird gut herausgearbeitet, ohne dabei die Belehrungskeule zu schwingen. Der Film sowie auch schon seine literarische Vorlage, will veranschaulichen, was Krieg aus einem Menschen macht und die damit verbundenen, inneren Konflikte, aus der Dunkelheit in das aufdeckende Licht zerren. DER ÜBERLÄUFER ist vielschichtig lässt aber dennoch zu wenig Tiefgang zu, um wirklich ein kleines Meisterwerk zu sein. Dennoch sehenswert! Darstellerisch kann der Event-Zweiteiler überzeugen, nur leider ist die Hauptfigur nicht die interessanteste und auch nicht die am überzeugendsten Gespielte. Denn bei all der aufopferungsvollen Performance von Jannis Niewöhner, kann er nicht gegen seine unspektakuläre Figurenzeichnung ankämpfen und büßt viel an nahegehenden Profil ein. Die Entdeckungen und interessantesten Figuren sind die der jungen polnischen Partisanin Wanda, eindrucksvoll performt von Malgorzata Mikolajczak und allen voran das intensive Spiel von Rainer Bock als sadistischer Unteroffizier Willi Stehauf. DER ÜBERLÄUFER kann auch in Sachen Ausstattung vollumfänglich überzeugen, dies ist aber für einen Fernsehfilm diesen Ausmaßes, keine wirkliche Überraschung.